Man ist niemals zu alt für etwas Neues!
Vermutlich hatten mich manche schon längst für verrückt erklärt, als sie mitbekamen, dass ich mich dieses Jahr bei der DSV Punkteliste angemeldet habe, um bei Skirennen zu starten (nicht jedoch, ohne zuvor meine Kinder zu fragen, ob es ihnen peinlich sei, mit ihrer „alten Mutter“ am Start zu stehen). Mein Ziel war es, die Technik zu lernen: wie man Stangen kippt, die schnellste Linie fährt, aber auch, wie man sich am Start und im Ziel fühlt und wie ich das den Race Kids vermitteln kann. Die Idee begann heranzuwachsen, als Robert mir seinen alten Riesenslalom „vererbte“ und wir anfingen, Kurvenlage zu üben.
Mein Debüt fand im Januar am Gudiberg in Garmisch statt, als Robert, Claas und Till einen Parallelslalom bestreiten wollten. Unten in meiner Tasche hatte ich Milenas Rennanzug vergraben; am Morgen stand dann die Entscheidung als ich sah, dass der Kurs im auslaufenden Steilstück gesteckt wurde: ich meldete mich nach, sendete Ants eine kurze SMS: „Wir sind bereit!“ und ging mit den Jungs zur Besichtigung. Parallelslalom ist etwas Besonderes: hier kämpft man nicht nur gegen die Zeit, sondern auch gegen einen Gegner im Nachbarkurs. Die Läufe sind kurz, der Startintervall auch. So hielt sich die Aufregung in Grenzen, allerdings flog nach dem Öffnen der Startklappen auch alles so schnell an mir vorbei, dass alle Tipps, die die Jungs mir bei der Besichtigung mitgegeben hatten irgendwo ganz hinten in meinem Kopf verschwunden waren. Im Ziel kamen mir Zweifel, ich fühlte mich wie eine Anfängerin, in mir trieb sich die Frage herum, ob ich mich überschätzt hatte. Vermutlich ist das eine der großen Künste, die wir lernen müssen: nach dem ersten Lauf damit abzuschließen, den Fokus vollkommen umzulenken auf den zweiten Lauf, noch mal von vorn anfangen. Die Jungs motivierten mich gut und unterstützen mich, feuerten mich beim zweiten Lauf an, den ich dann auch deutlich besser ins Ziel brachte. Schon verrückt, wie sich die Rollen der letzten Jahre umkehren.
Mit den ersten Punkten im Gepäck und einen irritierten Mann zu Hause, der meine Ergebnisse im Livetiming bei Rennmeldung verfolgt hatte, fuhren wir glücklich nach Hause.
Wenn man mit etwas so nervenkitzelndem wie Skirennen anfängt, ist es schwer, nach einem Wettkampf aufzuhören. Da ist der Ehrgeiz, seine Leistung beim letzten Wettkampf zu überbieten. Mein zweites Rennwochenende waren die Thüringer Meisterschaften in Steinach. Im letzten Jahr noch als Vorläuferin gestartet, war ich nun „richtig“ dabei. Meine Bedenken waren nun deutlicher zu spüren, als noch am Gudiberg. Steinach und Thüringer Meisterschaften bedeuten bekanntes Publikum. Hier sind die Trainingskids und deren Eltern vor Ort, auch meine Tochter als „Konkurrentin“. Als ich da so mit meiner Startnummer im Startbereich stand, wurden die Augen einiger meiner Trainingskids immer größer. Maria war ganz aus dem Häuschen, sie fände das großartig, und kam nach ihrem Lauf direkt hoch, um mir vor meinem Start noch ein paar Tipps für den Lauf zu geben und zu berichten, wie es ihr ergangen war.
Meine letzten Rennen fanden, nachdem die Niedersächsischen Meisterschaften wegen Schneemangel abgesagt wurden, zur Rennwoche vor Ostern in Hochkrimml statt, zu denen Robert und ich als Zweierteam anreisten. Wir waren hier auf bekanntem Terrain, was mich ermutigte. Seit Jahren fuhren wir mit unseren Kindern zur Rennwoche und nach Hochkrimml ins Trainingslager. Es sind zeitgleich Rennen auf verschiedenen Pisten für Kinder (U8-U12), Schüler (U14-U16) und Jugend/Erwachsene (U18+). Während es noch zu den Zeiten meiner Kinder überschaubare Rennen waren, ist das Interesse so groß geworden, dass die Anmeldung für die Schüler (max. 200 Starter) bereits innerhalb von 6 Stunden ausgebucht war. Auch bei den Kindern ist das Starterfeld inzwischen schon bei über 200 Kindern in 4 Altersklassen! Die Jugend- und Erwachsenenrennen sind mit ca. 100 Startern in einer relativ überschaubaren Größe. Die Atmosphäre ist hier eher chillig, kaum aufgeregte Eltern (außer ich!), Startnummern, welche an der Garderobe zur Selbstbedienung hängen. Die Besichtigung findet entspannt statt, jeder wünscht seinen Vereinskollegen oder Bekannten noch mal viel Glück und freut sich gemeinsam bei guten Ergebnissen.
Dieses Jahr waren wenig Erfurter Vereinskollegen vertreten, neben uns waren noch Lotta Drücker, die sich bei den Kinderrennen gut präsentierte und Anne Reymann, die gemeinsam mit mir beim Parallelslalom startete. Dennoch war Thüringen durch Starter*innen der beheimateten Vereine aus Steinach, Goldlauter, Tabarz und Ilmenau gut repräsentiert.
Während ich zu den anderen Meisterschaften lediglich zwei Tage am Start stand, meldete ich mich nun für einen Slalom, zwei Riesenslaloms und einen Parallelslalom an.
Den Slalom empfand ich als anspruchsvoll. Mein gestecktes Ziel war es, nicht als Letzte die Ziellinie zu überqueren, was ich schaffte! Vor Robert’s Leistungen ziehe ich den Helm, er fuhr sich in den zwei Slaloms unter 100 Punkte (60 ist der beste Wert, den man erreichen kann) und zeigte starke zweite Läufe mit Laufzeiten unter den Top 5.
Noch aufregender wurde es beim Riesenslalom. Viele, die mit zum Trainingslager fahren, werden die breite, lange Piste am 6er Bubble kennen. Hier ist der Start ganz oben. Danach: 1220 m hinab durch den Kurs. Die Abstände waren groß, die Kurssetzer hatten großzügig drei Ziehtore mit Abständen von gefühlt 50 m eingebaut, die zusätzliche Geschwindigkeit brachten. Die Nacht vorher hatte ich nicht gut geschlafen. Viele Gedanken schwirrten mir durch den Kopf. Riesenslalom ist nicht ohne Risiko bei den hohen Geschwindigkeiten von 70-80 km/h, die man in so einem Kurs schon mal erreichen kann. Aber ich dachte an das Gefühl danach, an das Gefühl, im Ziel zu sein, nach einem über einminütigen Lauf, der auch ganz gut auf die Puste und in die Beine geht. Und dann traute ich mich und überwand meine Ängste. Das Lob eines fern bekannten Trainers waren dann meine Blumen 😊 und die Tipps, die er mir gab wurden nach dem Rennen gleich trainiert!
Der Abschluss meiner Saison sollte der Parallelslalom werden. Da hatte es am Gudiberg angefangen und es erschien mir auch ein guter Abschluss zu sein. Und – das Beste kommt zum Schluss: ich fuhr mir mit 177 Punkten ein Ergebnis ein, mit dem ich sehr zufrieden aus der Saison gehen kann. Bei den Damen war ich zwar mit Abstand die Älteste, jedoch in den Rennen nicht die Letzte.
Und nun nach dieser Saison? Ich bin um Erfahrung reicher geworden, habe gespürt, was bei einem Rennen vor sich geht. Die Emotionen, die einen herumwerfen, die Erfolge, Niederlagen, das mentale Abschließen mit einem verpatzen Lauf, die Aufregung am Start, die Atmosphäre während des Rennens, die motivierenden Teamkollegen, der Zusammenhalt und schließlich die Erleichterung, im Ziel zu sein; der Stolz, sich getraut zu haben.
All dies möchte ich nicht missen, denn vor allem hatte ich eins: Spaß.
MONA
(Simone Wiegand)
PS: Vielleicht spürt ihr ja auch diesen Nervenkitzel, durch einen Slalomkurs zu fahren, ein Rennen zu bestreiten, oder was Neues auszuprobieren. Ich kann euch nur eins ans Herz legen: man ist nie zu alt dafür. Das ist nur das Umfeld, das einem diesen Eindruck gibt. Einfach machen!